Bericht über das Modul „Die benediktinischen Gelübde“

Vom 1.-5. April 2019 fand das Modul „Die benediktinischen Gelübde“ mit Sr. Michaela Puzicha als Referentin in der Erzabtei St. Peter in Salzburg statt. Insgesamt nahmen 16 Frauen und Männer aus 14 verschiedenen Klöstern teil.
Sr. Paula Grastat (Abtei Mariendonk) veröffentlicht hier ihre Notizen von den Erklärungen und Gesprächen über das 58. Kapitel der Benediktregel:
Zusammenfassende Paraphrase:
„Er stelle in Aussicht die Zusicherung seiner Beständigkeit auf dem Weg zu bleiben Mönch zu werden in dieser Gemeinschaft, im monastischem Lebensstil mit Stundengebet, Schriftlesung und Arbeit, mit allen Qualitäten und Lebenserfahrungen die er mitbringt, sodass sein Lebensstil sich in Einklang bringt mit dem monastischen Lebensstil, indem er nicht immer die eigenen Ziele verfolgt, sondern in gelebter, gegenseitiger, freiwilliger Dienstbereitschaft sein Leben so führt, dass es dem Vorbild Christi würdig ist.“

Kapitel 58: Die Ordnung bei der Aufnahme von Brüdern
- „disciplina“: Unterweisung und Formung der Brüder die aufgenommen werden. Die innere Haltung formen, die dem Mönchtum angemessen ist. Es ist eine Bildung im Sinne einer geistlichen, menschlichen Art, sodass ein reifer, selbstständiger Mensch rauskommt. Fertigkeiten erwerben auf diesen Weg der Formung. Bildung einer Persönlichkeit, die der monastischen Lebensweise würdig ist. Es ist ein Weg auf dem ich mich mit voll und ganz und Ernsthaftigkeit einlassen muss.

Vers 7:
- „obprobria“: sich einlassen auf die Normalität des Alltags. Selber dienen, anstatt sich bedienen zulassen. Die innere Einstellung ist da entscheidend. Wie gehe ich mit Herausforderungen um, die ich nicht kenne?
- „ob er wahrhaft Gott sucht“: d.h. auf dem Weg der Beziehung bleiben. Der Sinn des Noviziats ist es die Motivation abzuklären. Kann ich Gott suchen mit den Bedingungen, die vor Ort und in der Gemeinschaft herrschen? Man sucht keine ideale Gemeinschaft oder das Mönchtum, es geht darum, dass ich einen Platz gefunden habe, wo ich diese Gottsuche, diese Beziehung zu Christus leben kann.
Die Regel bleibt und Christus bleibt, alles andere kann sich ändern. Man darf seine Gottsuche nicht abhängig machen, z.B. von der schönen Umgebung, von den guten Gesprächen mit den Mitschwestern oder auch von der Arbeit, die man gerne macht. Man kann z.B. nicht sagen: „Ohne die Arbeit im Schweinestall kann ich meine Gottsuche hier nicht fortsetzen.“
Wen sucht du? Joh 1,38: Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was sucht ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt: Meister , wo hältst du dich auf?
Es geht auf diesem Weg nicht darum alles zu finden oder dass ich mit meiner Gottsuche „fertig“ werde, aber ich darf nicht aufhören auf dem Weg der Suche zu gehen.

Vers 10:
- velle (vis): wollen
Die Freiheit der Entscheidung. Nicht weil ich es muss bin ich hier, sondern weil ich es für richtig halte und will!
„Gottes Willen zu tun, will ich“ (Ps 40,9) Es geht um die Klärung des Weges, den ich gehe. Es geht um das Feststellen meiner Fähigkeiten. Ist dieser Weg für mich möglich? Ich muss es nicht nur wollen, sondern auch fähig sein auf dem Weg zu bleiben, auch wenn schwierige Situationen kommen.

Vers 12:
- „Er muss wissen wozu er eingetreten ist.“ Wozu ist er gekommen? -> Um Mönch zu werden! (Vers 1)
Mönch werden ist ein Entwicklungsprozess, geistlich und menschlich, der ein Leben lang dauert.
- „sciat“: ein Wissen, das mir ermöglicht mich selbst kennenzulernen, den Sinn meines Lebens.
Die Herausforderung liegt immer beim Novizen. Ich bin selbst verantwortlich für diese Entscheidung. Ich bin der Handelnde in diesem Kapitel. Es soll dabei ausgeschlossen werden: Die anderen werden schon wissen, was gut für mich ist. Es geht um das Heil dessen, der ich selber bin. Ich muss für mich entscheiden, ob mich dieser Weg zum Heil führt. Es ist aber dennoch eine Entscheidung im Dialog, wie das dreimalige Vorlesen der Regel zeigt, für beide Seiten muss klar sein, ob es der richtige Weg ist oder nicht.
Es ist ein Weg des Alltagslebens. Es geht nicht darum, alles Erforderliche für das monastische Leben schon mitzubringen, sondern ob man gewillt und fähig ist es zu lernen.
Die Konsequenzen für die Entscheidung liegen bei mir, ich kann keinen anderen dafür verantwortlich machen.
Es wäre „Kindergartenverhalten“ zu denken: Der Abt macht das schon für mich, andere entscheiden ja jetzt für mich.
Ich versuche ein Lebenskonzept zu verwirklichen, das auf der Heiligen Schrift basiert: Ist das Kloster dafür der geistliche Raum oder etwas anderes?

Vers 14:
- „habita deliberatione“: mit sich selbst zu Rate gehen
- „deliberatio“: der Novize soll abwiegen, wohin die Waagschale sich bewegt, und das kann ich nur tun, wenn ich weiß, was sich in diesen Waagschalen sich befindet.
- „cuncta-omnia“: beobachten und sich daran halten, ohne Abstriche oder Bedingungen. Verpflichtende Zustimmung zu einem Lebensprogramm mit Einsicht, Verantwortung und Überlegung. Und ich muss bedenken, wo und wem ich dieses Versprechen geben werde.

Vers 16:
- „morosam“: langwierig, bedachtsam, nicht übereilt oder leicht fertig
Ich darf im Blick haben, was für mich sonst noch wichtig und bedeutsam ist, um es dann abzuwiegen.
Das Noviziat ist dafür da Gewissheit zu bekommen. Die eine Entscheidung ist nicht besser oder schlechter als die andere, solange man ernsthaft mit sich selbst zu Rate gegangen ist.
In Freiheit soll man so erzogen werden, dass man am Ende des Noviziats eine gut durchdachte, abgewogene und reife Entscheidung treffen kann.
Die Anweisungen in der Regel gelten dabei nicht nur mir, sondern allen in gleicher Weise. Diese Erwartung darf ich auch an die anderen in der Gemeinschaft stellen, genauso wie sie an mich gestellt werden. Auch alte Männer bleiben Mönche, im Alter ist man von der Regel nicht freigestellt, sie gilt für sie genauso.
Diese Versprechen sind kein Verzicht um jeden Preis, es sind keine zusätzlichen oder speziellen Verpflichtungen. Es geht nicht um einen Zustand, den man irgendwann erreicht, sondern es sind Eigenschaften, die entwickelt werden müssen. Es sind Lernwege.

Vers 17:
- „promittere“: etwas schon voraus schicken, in Aussicht stellen: ich stelle in Aussicht mich daran zu halten; sich bei jmd. zu Tisch anmelden; ich sage etwas zu, das ich auch irgendwann machen muss.
- „stabilitate sua“: die Zusicherung meiner Beständigkeit in dieser Gemeinschaft auf dem Weg zu bleiben.
Wenn etwas in sich stabil ist, kann es auf Veränderungen von außen reagieren und flexibel sein. Man muss reaktionsfähig sein. Der Gegensatz dazu wäre „starr“, denn ich weiß doch schon wie es geht, da brauche ich dem anderen auch nicht zuzuhören.
Die Stabilitas ist ein Bleibenwollen, kein Bleibenmüssen! Wer stabil ist, ist auch belastbar. Es ist ein Überlebenkönnen, trotz veränderter Umstände. Das Prinzip der Stabilitas ist das Bemühen auf dem Weg zu bleiben und sich formen zu lassen, man kommt nur an, wenn man auf diesem Weg geblieben ist.
Benedikt spricht nie von einer stabilitas loci (stabilität des Ortes). Der Zusatz, den Benedikt macht, ist die stabilitas in congregatione (Beständigkeit in Gemeinschaft) in Kap.4,78. Das Treubleiben in der Gemeinschaft, in guten wie in schlechten Tagen.

Con-gre-atio: von „grex“ = Herde. Der Hirte ist immer Christus, auch der Abt ist nur ein Schaf in der Herde. Es ist eine Gemeinschaft, die sich als Herde Christi versteht nach dem Verständnis wie es vom NT her gesehen wurde. (Apg 4,32 Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.)
Die konkreten Menschen gehören genauso zur stabilitas in congreatione wie die Bedingungen vor Ort.
Im Hintergrund steht bei Benedikt eine Theologie des Bleibens.
Joh 15,4f: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
Wir können die Stabilitas nur Versprechen, weil wir die Zusage von Gott aus haben, dass er bei uns bleibt.
Keine Stabilitas wie sie Benedikt meint, ist das Bild von Lots Frau, die wie eine Salzsäule erstarrt zurückschaut. Auch erst beim Wegsehen vom Grab, sieht Maria Magdalena Jesus.
Zur Stabilitas gehört auch, nicht an allem festhalten zu wollen, man muss auch bereit sein, sich von Sachen trennen zu können. Genauso wie die Älteren die Bereitschaft haben müssen, bei Neuen mitzugehen. Stabilitas ist nicht das starre Festhalten von Altbewährtem, sondern das flexible Sein auf Veränderungen durch die Gemeinschaft.
Die Gegenreaktion von Stabilitas (stabil sein) ist die Flucht vgl. Prolog V. 48: ilico: spontan, ohne Nachzudenken; pavore: ist das Entsetzen, Panik; perterritus: Terror, terrorisieren, besetzt sein: Lass dich von deiner Panik nicht ohne Nachzudenken terrorisieren.
Die Realität, vor der ich fliehen will, die finde ich auch an meinen Fluchtort wieder vor. Der Fluchtort kann auch sehr leicht im Kloster selber sein. Die Nischen des Rückzugs können mich von der Gemeinschaft trennen (innere Kündigung).
Die Arbeit, die sich verselbstständigt (vgl. Kap. 57) ist auch eine Flucht, man definiert sich über seine Arbeit.
Die Stabilitas als Grundhaltung wird vom ersten Tag an von Benedikt trainiert.
Kap. 58,3: „perseveraverit“: Beharrlich auf dem Weg zu bleiben
V. 9: wenn er in Aussicht stellt beharrlich auf dem Weg der Zusicherung seiner Beständigkeit zu bleiben
- „conversatione morum suorum“
- conversatio: Damit war in der frühen Kirche die Bekehrung zum Christentum gemeint. Das Wüstenmönchtum und Benedikt adoptierten das Wort dann für die monastische Lebensführung. Es ist das Verhalten, das jeder an den Tag legt.
Conversatio ist processus (vgl. Prolog V. 49), Mönch werden ist Prozess. Der Prozess steht am Anfang, man muss stetig weiter schreiten, es geht nicht um Fortschritt, sondern um die Bewegung.
Weder Glaube noch Mönchtum ist ein Zustand, sondern ein lebensgestaltender Vorgang.
- “morum“: die Vielfalt der Persönlichkeiten in der Gemeinschaft, die Fülle von Lebensbegabungen, die ein jeder mitbringt. Der Lebensstil, den ich mitbringe, geprägt von dem Leben, das ich mitbringe. Die Qualitäten, die ich mitbringe, egal welcher Art.
- „suorum“: bezieht sich auf meinen Lebensstil und den Prozess der Anpassung. Meinen Lebensstil in Einklang bringen mit dem monastischen Lebensstil. Den Menschen, der ich bin, in Übereinstimmung bringen mit dem Menschen, der ich werden soll.
-> „oboedientiam“: Gehorsam meint kein Kontrollverhalten oder Freiheitsberaubung.
Ge-hor-sam (hören) - ob-oedi-entia (audire)
In der Bibel meint Hören, die Fähigkeit entsprechend den Weisungen Gottes leben zu können. Es ist ein Lernweg, das Hören zu kultivieren und aufeinander zu achten.

Kap. 5,7: „relinquentes“: verlassen (Rückgriff auf die Berufungsworte Jesu und dadurch dann ein Handeln nach der Heiligen Schrift)
„statim“: sofort (gehört auch zu den Berufungsgeschichten) Es ist kein Zeitwort, sondern beschreibt die Bereitschaft der Unmittelbarkeit für das, was Notwendig ist.
„quae sua sunt“: nicht danach trachten, was das Meinige ist, denn nicht das Eigene muss immer Priorität haben (1 Kor 13,5).
Gehorsam heißt, nicht immer nur die eigenen Ziele zu verfolgen. Gehorsam ist der Gegentrend zum Durchsetzen meiner eigenen Interessen. Er soll den Blick auf die Gemeinschaft öffnen.
Kap. 5,13: Christus als das Beispiel den Mönch vor Augen stellen, als Verwirklichung des Wortes Gottes. (Kap. 7,34. Den Herrn imitieren, nachahmen=imitans) Wir sollen so leben, dass wir würdig des Evangeliums leben.
Kap. 5,14: Die Verweigerungstaktik ist auch ganz nah nah am Eigenwillen. (nolle: etw. nicht wollen) responso nolentis: er reagiert mit einer Antwort des Nicht-Wollens, er verweigert sich, er gibt die innerliche Kündigung zu dem Auftrag.
Wie ich mit dem Nicht-Wollen umgehe, ist das Entscheidende, nicht das Nicht-Wollen an sich.
Das Gegenwort zum Gehorsam wäre: taub sein, das verhärtete Herz, Egoismus. Benedikt verwendet als Gegenwort Eigenwille, was aber dass gleiche bedeutet. Der Eigenwille ist der Eigene-Wille. Sich nicht lösen können von dem Blickwinkel auf die Persönlichen Sachen. Nicht mehr den Blick auf das Ganze werfen. Aufhören der Mensch zu werden, als der mich Gott gedacht hat.

Kap. 71: Der gegenseitige Gehorsam ist eine gelebte gegenseitige Solidarität. Es sichert die gegenseitige Dienstbereitschaft und die gegenseitige Rücksichtnahme im ganz normalen Alltag.
Die Freiwilligkeit sich zur Verfügung zu stellen. Es geht nicht um zusätzliche Mehrarbeit, sondern wenn man mal wirklich weniger zu tun hat. Es geht nicht um das Ja-Sagen um jeden Preis, aber wenn ich freie Kapazitäten habe und angefragt werde, muss ich diese auch übernehmen. Wenn ich aber schon vollgepackt bin, habe ich das Recht abzusagen.
Die gegenseitige freiwillige Dienstbereitschaft (invicem: nachbarschaftliches Verhalten) gehört zu reifen Menschen dazu. Sie dient auch zur emotionalen Entlastung eines jeden einzelnen.
Die Bereitschaft ist keine Sache der Reihenfolge (Heute ich. Morgen die andere.) Und von der Nicht-Bereitschaft der anderen muss ich mich nicht anstecken lassen, auch das gehört zur Reife dazu. Diese Bereitschaft darf aber auf der anderen Seite dann nicht ausgenutzt werden.
Auch Gehorsam ist kein Zustand, sondern ein Prozess, es ist ein Lernen des Hörens. Im Gehorsam lernt man die Beziehung zu Christus leben.

Vers 20:
Das Ablegen der Professurkunde auf dem Altar ist dass Übergeben der Urkunde von mir an Christus.

Vers 21:
„Suscipe me“: Kommt aus der alten Tradition, als das Neugeborene auf dem Boden gelegt wurde und nur, wenn der Vater es aufhebt, am Leben blieb (et vivam) und im Elternhaus erzogen wurde.
„Heb mich vom Boden auf und dann lebe ich und du, Christus, wirst mich in meiner Erwartung nicht enttäuschen.“
Die absolute Annahme meiner Person durch Christus. Die Option des Lebens ist Mittelpunkt der Regel und der Profess. Es geht nicht darum einfach nur zu überleben, sondern zum Leben zu kommen.
Das Wort „Domine“ steht nicht im Psalmvers, sondern wurde eingeschoben. Es macht deutlich, dass die Christusbeziehung die Grundlage ist. Es ist ein Leben für Christus, ein Freisein für Christus. Christus ist alles für uns, er ist die Basis auf die Benedikt seine Regel und sein Leben stellt. Die Bindung an Christus ist das Zentrum für Benedikt.

Vers 25:
- potestatem: Macht, selbst Ermächtigung des Lebens (die Vollmacht über mein Leben): Benedikt geht davon aus, dass wir das haben. Diese „potestas“ habe ich ganz positiv in freier Verfügungsgewalt der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Es geht nicht darum mich ausnutzen zulassen. Es geht nicht um meinen Leib als solchen, sondern meine ganze Person: meine Zeit, Fähigkeiten, Talente, Hab und Gut, Arbeitskraft, ect.; dies alles stelle ich der Gemeinschaft zur Verfügung.